* 19. Februar 1926
von Friedrich Spangemacher Stefan Fricke
Essay
György Kurtág, ein Altersgenosse der frühen Darmstädter Generation und ein ausgesprochener Spätentwickler, drang ins Bewußtsein einer breiteren musikalischen Öffentlichkeit erst in seinem sechsten Lebensjahrzehnt, als er als Lehrer an der Musikakademie Budapest bereits in den Ruhestand trat. Wie auch umfangreiche Portraitkonzerte zu seinem Werk bei renommierten Musikfestivals in Europa Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre zeigten, traf Kurtágs Musik einen Nerv der Gegenwart, und sie öffnete Räume, die von seinen komponierenden Zeitgenossen kaum besetzt schienen.
Kurtág ist ein Komponist der ausgesparten, konzentrierten Texturen. In nur wenige Töne vermag er einen ganzen Kosmos des heutigen menschlichen Daseins, der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung einzuschweißen. Der kleinen musikalischen Geste verleiht er neue Kraft, Größe und Utopie. Der oft verloren geglaubte Versöhnungsgedanke, der in seinem Werk mitschwingt, mag einen Teil seines Erfolges erklären. Kurtágs Musik ist »eine ›schöne‹ Musik«, wie István Balázs (1986a, 66) schrieb, »wie es auch Monteverdis oder Mozarts Musik trotz der vergegenwärtigten Grausamkeiten des Lebens waren«.
Kurtág arbeitet langsam, verwirft scheinbar fertige Stücke immer wieder. Er übt Selbstkritik in einer Weise, die ihresgleichen sucht. (Nicht einen einzigen Takt, der ihm nicht vollständig gelungen erscheint, mag er für gültig erklären.) ...